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1000 Jahre Erkanbald

Zum 1000. Mal jährt sich am 17. August der Todestag des Mainzer Erzbischofs Erkanbald, der 1021 im Alten Dom St. Johannis bestattet wurde. Nun kristallisiert sich heraus, dass der bisher eher unscheinbare Nachfolger von Erzbischof Willigis, der über zehn Jahre in Mainz wirkte, auch ein großer Bauherr war.

Ein stattlicher Mann, das war Erzbischof Erkanbald (1011-1021) gewiss: 1,82 Meter groß, rund 70 Kilogramm schwer und mit robustem Knochenbau - recht groß für seine Zeit also. Sein Body-Maß-Index lag bei etwa 21. Allerdings litt er an Morbus Bechterew, an Fußgicht und Skoliose und starb im Alter zwischen 40 und 60 Jahren. Diese anthropologischen Daten ergeben sich aus der Untersuchung seines Sarkophags, der 2019 geöffnet wurde. Sie gelten inzwischen als gesichert.

Zur Erinnerung: Im Sommer 2017 wurde bei Grabungsarbeiten im Kirchenschiff von St. Johannis ein außergewöhnlicher Sarkophag entdeckt. Im Raum stand sofort die Frage, ob es sich um das Grab des Erzbischofs, der am 1. April 1011 den Mainzer Bischofsthron bestieg, handeln könnte. Um diese Vermutung zu bestätigen, öffnete Grabungsleiter Dr. Guido Faccani im Juni 2019 im Fokus der Öffentlichkeit den Sargdeckel. Seit dieser Zeit wird an den Funden geforscht. Eines ist laut Faccani inzwischen sicher: Bei dem Verstorbenen deutet alles auf Erkanbald hin.

DNA-Analyse ohne neue Erkenntnisse

Textil-Restauratorin Anja Bayer untersuchte Materialreste des Gewands und der Schuhe, die einige Erkenntnisse lieferten: Die aufwendig gearbeiteten Schuhe aus Leder waren offensichtlich Pontifikal-Schuhe mit sternförmigen Ziernähten für besondere Zeremonien. Über der Dalmatik trug der Bestattete eine Glockenkasel, die im Nackenbereich mit einer Goldborte verstärkt war, ähnlich der Willigiskasel aus dem Dom- und Diözesanmuseum. Mit dem Fund eines Palliums sei schon zwei Tage nach der Sargöffnung klar gewesen, dass der Tote ein Erzbischof gewesen sein musste, verriet der Wissenschaftler anlässlich des Pressegesprächs zum 1000. Todestag Erkanbalds. C14 Proben der Schuhe bestätigten deren Herstellung um 1020 und somit die Vermutungen. Verwandtschaftliche Beziehungen zu Bischof Bernward von Hildesheim konnten allerdings nicht bestätigt werden, da eine DNA-Analyse keine neuen Erkenntnisse ergab. Eine mit historischen Details garnierte abschließende Gesamtdarstellung der detaillierten Untersuchungen verspricht Forschungsleiter Faccani für 2022. Mitarbeiten an der reich bebilderten Dokumentation nicht nur für Wissenschaftler werde der Mainzer Historiker Prof. Dr. Ernst-Dieter Hehl.

Keine graue Maus, sondern Bauherr

„Viel wissen wir nicht von Erkanbald. Er gilt oft als graue Maus nach dem großen Baumeister Willigis“, sagt Dr. Guido Faccani. Um die Zeit, in der dieser gelebt habe, näher zu beleuchten, blickt der Forschungsleiter auf das Baugeschehen um die damalige Jahrtausendwende und spricht von einem wahren kirchlichen „Bauboom“: Mainz müsse damals eine Großbaustelle gewesen sein. Doch der Nachfolger von Willigis muss sich nicht verstecken hinter dem Baumeister des Mainzer Martinsdoms, der noch am Weihetag 1009 abbrannte. Obwohl Erkanbald mit dem Wiederaufbau des Martinsdoms beschäftigt war, belegen neuere Funde zudem Umgestaltungen der Johanniskirche während seiner Amtszeit. Da stelle sich die Frage: „Hat Erkanbald hier eine baufällige Kirche wieder flott gemacht, nachdem der Willigisdom abgebrannt war, oder hat er hier etwas völlig Neues errichtet?“

Andreas Klodt, der die Forschungsarbeiten von Beginn an als Dekan begleitete, hat eigene Erklärungen für den Bauboom um das Jahr 1000: Nach der Weltuntergangsstimmung kurz vor der Jahrtausendwende habe eine Aufbruchsstimmung eingesetzt. Mit dem Baugeschehen sei der Gestaltungswille der Menschen seinerzeit sichtbar geworden. „Die Leute haben sich damals gesagt: Wir machen was aus der Welt, wir gestalten diese Welt.“ Auch dafür stehe diese Kirche, an der Erkanbald mitgebaut hat. Letztendlich habe dieser sich als erster Erzbischof ganz selbstbewusst sogar in seiner Amtskirche bestatten lassen.

St. Johannis vermutlich mehrfach umgebaute Doppelkirche

Weitere bauhistorische Untersuchungen der Johanniskirche brachten zudem Bauhölzer im Bereich des heutigen Westchors ans Tageslicht – Reste einer möglichen Vorgängerkirche, die vermutlich in die Spätantike zurückgehe, deutet Faccani. Frühe Spuren des Alten Doms sind hingegen im östlichen Teil der Amtskirche Erkanbalds zu finden. Somit könnte es sich insgesamt um eine mehrfach umgebaute Doppelkirchenanlage gehandelt haben – eine Seltenheit. Zwei Kirchen nebeneinander könnten hinweisen auf ein Gebäude, das durch einen korridorartigen Raum getrennt gewesen sei, stellt Faccani anhand von Grundrissplänen in den Raum. Und spricht von der Öffnung eines neuen Fensters in der Architekturgeschichte der Johanniskirche: „Damit ordnet sich Mainz in das bekannte Bild der Bischofssitze ein.“ Der Wissenschaftler informiert zudem, dass etwa 100 Jahre nach Erkanbalds Tod dessen Amtskirche neu gestaltet, der Fliesenboden neu verlegt worden sei. Darauf habe die Tumba, das steinerne Hochgrab Erkanbalds, frei stehend im Mittelschiff der Kirche über dem Sarkophag gestanden. Mithilfe neuer Ansichten skizziert er den damaligen Kirchraum sowie die dreischiffige Kathedrale eindrücklich.

Künftig Historie mit Gegenwart verknüpfen

Und wie geht es weiter? Angesichts der im Rahmen der Ausgrabungen kartierten 260 Särge sollten Fragen zu Leben und Tod an diesem Ort thematisiert werden, erklärt Dekan Klodt einen künftig möglichen inhaltlichen Schwerpunkt. Zudem sei der Ort, an dem Bonifatius, Rabanus Maurus und Willigis gewirkt haben, zutiefst ökumenisch – gerade im Hinblick auf das jüdische Mainz, das seit wenigen Tagen Welterbestätte ist. Daher möchte Klodt historische Dimensionen mit der Gegenwart verknüpfen. Man könne über die Geschichte der Kirche nicht sinnvoll nachdenken, ohne jüdisches Leben dabei in Blick zu nehmen, erläutert der Dekan und sagt: „Denn es geht auch um das Verhältnis von Religionen zueinander an diesem Ort.“


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