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Öffentlicher Vortrag zu St. Johannis

Der Alte Dom St. Johannis im Rathaus

Grabungssituation St. Johannis 2017

Die Erforschung der Baugeschichte der Mainzer Johanniskirche wird niemals abgeschlossen werden. Diese Nachricht überbrachte Dr. Guido Faccani, der wissenschaftliche Forschungsleiter der Grabungsstelle, den Zuhörern gleich zu Beginn seines Vortrags im vollbesetzten Ratssaal des Mainzer Rathauses.

Das Interesse an dem Thema war so groß, dass viele Besucher auf der Empore Platz nehmen mussten. Faccanis Vortrag "Alter Dom St. Johannis Mainz" fand im Kontext eines internationalen Fachsymposiums statt.

Die erwähnte Nachricht ist keine schlechte, betonte der Schweizer Archäologe und Kunsthistoriker. Sie bedeutet, dass niemals alles ausgegraben werden kann. Alleine schon aus Sicherheitsgründen, um die Stabilität der Kirche nicht zu gefährden, wird man kaum jemals tiefer gehen als zum jetzigen Zeitpunkt. "Wir sind jetzt 2,50 bis 3 Meter unter dem heutigen Bauniveau und haben das Bodenniveau des 13. Jahrhunderts freigelegt." Insgesamt 200000 Fundstücke hat das Forschungsteam bis jetzt geborgen, davon wurden 120000 bearbeitet, die übrigen 80000 warten im Depot auf ihre Auswertung. Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres sollen die Grabungen abgeschlossen werden, teilte Faccani mit. Die wissenschaftliche Auswertung dauert noch an.

Seit er vor gut einem Jahr die wissenschaftliche Leitung der Grabungen im Inneren der Kirche übernommen hat, hat sein Team fast jeden Monat etwas Unerwartetes zu Tage befördert, berichtet Faccani, der seinen Vortrag mit einigen Pointen würzte: "Sollte ein Kirchenvorstand in Erwägung ziehen, eine Fußbodenheizung in seine Kirche einbauen zu lassen, sollte er sich genau überlegen, welche Konsequenzen dies haben kann." Denn ein solches Vorhaben führte im Sommer 2013 zum Fund von Resten eines Pfeilers aus merowingischer Zeit (7. Jahrhundert) in der Johanniskirche. Seither ist sie eine der spannendsten archäologischen Baustellen in Rheinland-Pfalz. "Und die Bagger folgen unseren Anweisungen - nicht umgekehrt", betonte Faccani.

Bei den Ausgrabungen kamen unter anderem Mauern und Bodenreste der Antike und des Frühmittelalters zu Tage, außerdem über 100 Grabstätten in und außerhalb der Kirche. Zu den Funden zählen reich verzierte frühmittelalterliche Schrankenplatten, mittelalterliche Stuckskulpturen und Verputzfragmente unterschiedlicher Zeitepochen. So konnte vor Kurzem ein Stuckgipsfragment mit bauzeitlichen Farbresten im Westchor geborgen werden. Es ist trotz der feuchten Jahrhunderte andauernden Lagerung sehr gut erhalten geblieben. Das ist aufgrund des sensiblen Materials ein seltener Fund. Die Forschungsergebnisse ermöglichen eine Sicht auf die Baugeschichte von St. Johannis, wie man sie in dieser Ausführlichkeit bisher nicht kannte.

Bereits Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. gab es eine römische Bebauung, allerdings mit unbekannter Funktion. "Wurzeln des Christentums lassen sich in Mainz ab dem 4. Jahrhundert finden, aber noch keinen Hinweis auf einen Bischofssitz", erläuterte Faccani. Die erste sichere Nachricht von einer Mainzer Kirche geht auf den Dichter Venantius Fortunatus, der um die Jahre 565 und 566 von dem ersten sicher bezeugten Mainzer Bischof Sidonius berichtet.

Von spätantiken und frühmittelalterlichen Baumaßnahmen vom 4. bis 6. Jahrhundert zeugen Mauerreste, Pfeilerfundamente und Fußböden. Es handelt sich bereits um ein Gebäude monumentalen Ausmaßes: eines mit einer Breite von etwa 22 Metern, ein weiteres, 14 Meter breites an der Stelle des heutigen Ostchores, mit noch erhaltenen Mauern von 15 Metern Höhe. In den 1500 Jahre alten Mauern lassen sich erstaunlicherweise noch heute Rundbogenfenster und kreisrunde Fenster nachweisen, nur wenige Meter versetzt zu den heutigen Fenstern im später errichteten Ostchor.

"Der alte Dom" ist ein Stichwort, das auch Faccani gerne aufgriff. So bezeichnete er Bischof Willigis, der den Neubau des Doms in Auftrag gab, als "Totengräber von St. Johannis als Bischofskirche". Doch 1009, am Tag der Weihe des romanischen Domneubaus oder am Tag davor, brannte der Neubau ab, so dass St. Johannis bis zur zweiten Einweihung des Willigis-Doms im Jahr 1036 weiterhin Bischofskirche blieb. Beide Dome wurden durch einen oberirdischen Arkadengang, den "Paradiesgang", verbunden. St. Johannis diente fortan als Stiftskirche.

Faccani ging auch auf die weitere Geschichte ein, die Zerstörung des "Paradiesganges" 1767 durch ein Feuer, die Säkularisierung 1793 in der Zeit der französischen Besatzung und die am 1. Mai 1828 erfolgte Übergabe der Johanniskirche an die unierte evangelische Gemeinde Mainz. Von 1906 bis 1907 baute der Darmstädter Architekt und Denkmalpfleger Friedrich Pützer die Kirche im Zuge des Wiesbadener Programms im Jugendstil um: Orgel, Kanzel und Altar wurden in die Zentralachse zurückverlegt. 1942 wurde der Dachstuhl bei einem Luftangriff in Brand gesetzt. Die Kirche wurde nach dem Zeiten Weltkrieg in einem schlichten, teilweise historisierenden Stil wiederaufgebaut und 1956 eingeweiht.

Die Besucher im Ratssaal hatten viele Fragen an Guido Faccani. Vor allem wollten sie wissen, ob es geplant ist, die Funde öffentlich zu präsentieren. "Zunächst werden sie in einem Depot aufbewahrt", sagte Faccani, fügte aber sogleich hinzu: "Es ist schon klar, dass die Funde auch gezeigt werden sollen." Wann und Wo, das ist noch offen.


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